Mand Senior neu

Carl Mand Senior

Zeitschrift für Instrumentenbau 1891-1892 S.740, 749, 751

Am 28. August 1892 entschlief sanft, infolge Altersschwäche, im fast vollendeten 81. Lebensjahre, der Hof-Pianoforte-Fabrikant Carl Mand zu Coblenz a. Rhein. Mit ihm ist ein Nestor des Pianofortebaues dahingegangen, der sich hohe Verdienste im unsere Branche erworben hat, dessen Leben reich an Erfolg gewesen. Ihm, der in früher Jugend, mit kleinen Mitteln zwar, aber mit arbeitsfreudigem Sinn, den Blick fest auf ein Ziel gerichtet, sein Werk begann mit zäher Ausdauer und eisernem Fleiße es fortführte zu seiner späteren Größe und Bedeutung, war es in seltenem Maße vergönnt, bis ins höchste Alter hinein sich der Früchte seines Schaffens zu erfreuen, geehrt und geliebt von seinen Angehörigen und Allen, die ihn kannten; wo immer die Namen der Männer, welche für unsere Branche verdienstvoll gewirkt und sich das Streben nach Tonveredelung zur Lebens-Aufgabe gestellt haben, genannt werden, darf sein Name nicht fehlen.

Wenn es wahr ist, daß dem Menschen seine Bestimung angeboren wird, so war der junge Mand, welcher unter bescheienem Dache in Horchheim Bei Coblenz, am Ufer des grünen Rheinstromes, am 27. Oktober 1811 das Licht der Welt erblickte und bei Taufe den Namen Carl erhielt, zum Instrumentenmacher vorausbestimmt; denn schon in frühester Jugend ließ das ungemein scharfe Gehör des Knaben und sein ausgeprägtes Interesse für das Reich der Töne vermuthen, daß er dereinst auf irgend eine Weise in den Dienst der edlen Frau Musica stellen werde. Jedes Klavier, in damaliger Zeit ein seltener Besitz und Luxusgegenstand, welcher schon einen gewissen Wohlstand des Eigenthümers voraussetzen ließ, war – stets ein lebhafter Anziehungspunkt für den Knaben, der sich, der Schule kaum entwachsen, siener Lieblingsneigung folgend, mit seltenem Eifer auf die Stimmkunst warf.
Schon mit 15 Jahren bereiste Carl Mand als Klavierstimmer Rheinland und Westfalen und leisetete so Hervorragendes in seinem Fache, daß der längst verstorbene Musikdirektor Anschütz, ein Mann, welcher äußerst karg mit seinem Lobe zu sein pflegte, ihn „einen Mozart im Stimmen" nannte.
Bald war der junge Mand eine unentbehrliche Persönlichkeit für alle Klavierbesitzer Rheinlands, und so kamm es denn auch, daß einmal auf sein Talent aufmerksam gemacht, das fürstlich Wied'sche Haus zu Neuwied ihn Schlosse stehenden Instrumente su stimmen und im Stande zu halten. Doch konnte auf die Dauer dem aufstrebenden Geiste des jungen Mannes der bisherige, begrenzte Wirkungskreis nicht genügen und von innerem Drange beseelt, selbst ein tüchtiger Meister seines Faches zu werden, zog er nach beendeter Dienstzeit nach Wien, der damaligen Hochschule des Klavierbaues. Kaum hier angelangt, begann er seine Thätigkeit in den ersten Fabriken als Stimmer und Intoneur, aus welcher Stellung er sich bald zum Werkmeister hinaufgearbeitet hatte. Nach achtjährigem Wirken in Wien kehrte er nach seiner Vaterstadt und von da nach Coblenz zurück und begann, anfänglich mit nur wenigen Hilfskräften, im Jahre 1835 selbständig die Fabrikation von Tafelklavieren und Flügeln. Als kurze Zeit darauf der Komponist Hünten, welcher sich in Paris ein Vermögen gesammelt hatte, nach Coblenz kam, bot er dem strebsamen Klaviermacher, dessen Talent sich in der meisterhaften Ausführung der erstgebauten Instrumente offenbarte, seine Association an. Jetzt war es der jungen Firma Mand & Hünten, nachdem sie über das erforderliche Betriebskapital verfügen konnte, ermöglicht, sich weiter auszedehen, und die damals fabrizirten Instrumente hatten sich bald einem guten Ruf erworben.
Durch Vermittelung Hüntens, welcher den Kindern des damaligen Prinzregenten von Preußen, weiland Sr. Majestät Kaiser Wilhelm I. Musikunterricht erheilte, wurde der Firma die Lieferung eines Klaviers für das königliche Residenzschloß zu Coblenz übertragen. Aus der Zeit der Theilhaberschaft, welche indessen nur drei Jahre dauerte, stammt eine Anzahlt noch heute gut erhaltener Tafelklaviere und Flügel.
Nachdem Hünten, den seine künstlerische Thätigkeit nach Paris zurückrief, ausgetreten und Carl Mand nunmehr alleiniger Inhaber des Geschäfts geworden war, wurde der Betrieb, dem die alten Räumlichkeiten nicht mehr genügten, in die Hallen des Elzer Hofes, der Stadtresidenz des früheren Burggrafen von Elz, verlegt. Die dort gebauten Instrumente, welche trotz ihrer nach unseren heutigen Begriffen altmodischen Form das Gepräge unverwüstlischer Solidität trugen und ihres blühenden Tones wegen bald die Aufmerksamkeit nicht nur des kunstverständigen Publikums, sondern auch der pianistischen Koryphäen jener Zeit in hohem Grade auf sich lenkten, fanden stets gesteigerten Absatz und wohlverdiente Anerkennung seitens der ausübenden Kunstgrößen.
Wie uns ein Concertbericht der Coblenzer Zeitung aus dem Jahre 1839 mittheilt, gaben am Mittwoch, den 21. August, die Herren de Bériot und Thalberg ein Concert in Coblenz. „Ersterer", wie es wörtlich heißt, „einer der größten Violinspieler unserer Zeit, von dem man in Wahrheit sagt, daß er auf seinem Instrumente die herrlichen Töne seiner verstrobenen Gattin, der gefeierten Malibran, wiederzugeben und alle nur möglichen Schwierigkeiten zu üerwinden versteht. Letzterer anerkannt der größte aller Klaviervirtuosen, der seinem Instrumente bisher noch nie gehörte Töne entlockte und zur größten Bewunderung hinreißt". In diesem Concerte bediente sich Thalberg eines Mand'schen Flügels, dem er unter vielen ihm angebotenen Instrumenten den Vorzug gab. Thalberg rühmte in einem besonderen Schreiben nicht allein das benützte Instrument, sondern ersuchte auch Mand, Ihm genau den nämlichen Flügel zu einem Concert nach Bonn zu senden. Thalbergs Dankschreiben lautete:
Bonn, den 23. August 1838.
„Ich kann diese Gegend nicht verlassen, ohne Ihnen „für das vortreffliche Instrument zu danken, welches Sie für die Concerte in Coblenz und Bonn zu mener Disposition stellten. Ihre Instrumente können, ohne im Geringsten zu verlieren, mit den besten Flügeln wetteifern. Indem ich Ihnen jede Art von Prosperität wünsche, verbleibe ich

Ihr ergebener
S. Thalberg."

Ein kleines Intermezzo, welches sich zwischen dem ebenso genialen, als zeitweise auch höchst capriziösen Klavierheros Franz Liszt, „dem rasenden Roland mit dem ungarischen Ehrensäbel", wie ihn Heinrich Heine nannte, und dem dahingeschiedenen Carl Mand abspielte, soll nicht unerwähnt bleiben. Einer Einladung Mand's Folge leistend, war Franz Liszt nach Coblenz gekommen, um die ihm damals noch fremden Mand'schen Instrumente zu prüfen. Mand hatte, ohne den Meister davon vorher in Kenntniß zu setzen, eine Anzahl Notabeln seiner Vaterstadt eingeladen, welche sich der seltenen Gelegenheit, dem phänomenalen Spiel des unvergleichlichen Künstlers ihre Bewunderung zollen zu dürfen, nicht wenig freuten. Als jedoch Liszt eintrat und das kleine Auditorium erblickte, weigerte er sich kurz, zu spielen und war durch keine Bitte zu bewegen, seinen Entschluß zu ändern.
Daß diese kleine Verstimmung jedoch nicht lange dauerte, beweist das ehrenvolle Anerkennungsschreiben, womit bald nachher der wieder versöhnte Künstler seinen Dank für den ihm in Wiesbaden zur Verfügung gestellten Mand – Fügel Ausdruck verlieh.
Nicht minder als der bekannte Klaviervirtuose Alfred Jaëll, den Mand häufig auf seinen Concertreisen begleitete, war auch der berühmte Geiger de Bériot, welcher dem Verstorbenen einen Flügel für seinen eigenen Gebrauch in Auftrag gab, ein warmer Gönner Mand's.
Im Jahre 1841 verheirathete sich Carl Mand, dessen Ehe zwei Kinder entsprossen, ein Sohn, der gegenwärtige Besitzer der Fabrik, und eine Tochter. Um diese Zeit begann er, als einer der Ersten, welche die herkömmliche liegende Form der Klavier-Instrumente verließen, den Bau der aufrechtstehenden Pianinos. Wie alle Neuerungen, so hatte auch diese eine lange Zeit gegen das Vorurtheil und den hartnäckigen Widerstand sowohl der Künstler als der Dilettanten zu kämpfen,
weil beide durch jahrelange Gewöhnung zu sehr an der althergebrachten Form hingen. Schließlich trug aber doch die Superiorität des neuen Instruments den Sieg davon und das nunmehr dominirende Pianino begann seine Geschwister, das Tafelklavier und den Flügel, zu verdrängen. Von da ab vergrößerte sich der Betrieb der Mand'schen Fabrik von Jahr zu Jahr, weil die Pianinos, an deren Vervollkommnung Carl Mand mit unermüdlichem Eifer weiter arbeitete, sich wegen ihrer gediegenen Bauart und ihres blühenden, kraftvollen Tones ein weit über die Grenzen des Vaterlandes hinausreichendes Absatzgebiet errangen.
Im Jahre 1853 wurde der Verstorbene zum Hoflieferanten der Kaiserin und Königin Augusta, 1875 zum Hofpianoforte-Fabrikanten des Landgrafen von Hessen ernannt, und nahm in letzterem Jahre seinen Sohn Carl, nachdem derselbe den Klavierbau durch jahrelange Thätigkeit in namhaften anderen Fabriken erlernt und thatsächlich schon seit 1868 das Geschäft seines Vaters geleitet und weiter ausgedehnt hatte, als Theilhaber auf. Nach 47 jährigem unermüdlichem Ringen setzte sich der Verstorbene, im Alter von 71 Jahren, in den wohlverdienten Ruhestand und übergab 1882 das Geschäft seinem früheren Theilhaber, seinem Sohne Carl. Dieser erkannte sofort mit richtigem Blick, daß eine Weiterausdehnung des Geschäfts nur dann möglich sei, wenn das schöne Fabrikat, welches schon früher auf den Ausstellungen zu Aachen, Trier, München etc. berechtigtes Aufsehen erregt und günstigste Beurtheilung seitens der Presse gefunden hatte, auch auf größeren Provinzial- und besonders auf Welt-Ausstellungen einem ausgedehnteren Interessentenkreise vorgeführt würde. Mit welchem Glücke dies geschah, beweisen die nur ersten Preise, welche der unveränderten Firma (Carl Mand war inzwischen ebenfalls zum Hoflieferanten der Kaiserin-Königin von Preußen ernannt worden) auf den Welt- und Provinzial-Ausstellungen Düsseldorf, Melbourne, Amsterdam, London, Antwerpen etc.etc. in schneller Aufeinanderfolge zuerkannt wurden. Heute beschäftigt die Mand'sche Fabrik, durch Neubauten und maschinelle Anlagen fortwährend vergrößert, annähernd 100 Arbeiter; ihr Absatzgebiet erstreckt sich über die ganze Welt
Das mit Dampf arbeitende Etablissement selbst ist mit allen Hilfsmitteln der modernen Technik ausgerüstet und wird seiner praktischen Einrichtung wegen von Fachleuten als mustergiltig bezeichnet.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte der Verstorbene, dessen schlichtem Wesen ein Heraustreten an die Oeffentlichkeit stets abhold gewesen war, in stiller Zurückgezogenheit im Kreise seiner Familie; trotz seines hohen Alters blieb ihm seine geistige Frische bis gegen die letzten Monate erhalten. Dann aber sanken infolge Altersschwäche seine Kräfte immer mehr; am 28. August folgte er seiner ihm vor acht Jahren voraufgegenen treuen Gattin, welche ihm 43 Jahre lang als sorgsame Gefährtin zur Seite gestanden, in die Ewigkeit nach. Unzählige Beileidschreiben von Nah und Fern liefen auf die Trauerbotschaft ein und legten Zeugniß ab von der Achtung und Liebe, die sich der Entschlafene durch seinen biederen Sinn und seine Leutseligkeit allerwärts erworben hatte. Nicht enden wollten die Kranzspenden, welche als Zeichen der Verehrung und Theilnahme an seiner Bahre niedergelegt wurden, und als er hinaus getragen wurde zur Ruhestätte, gab ein zahlreiches Trauergefolge aus allen Ständen ihm das letzte Ehrengeleite. Vor dem mit Blumen überdeckten Sarge schritt, Kränze tragend, in langer Reihe das gesammte Personal der Fabrik, den Trauerzug eröffneten drei Arbeiter, mit dem von ihren Kollegen gewidmeten mächtigen Palmenkranze. Als die irdische Hülle des Entschlafenen in die Gruft hinabgesenkt wurde und die Leidtragenden Abschied von der Stätte des Friedens nahmen, intonirte der Mand'sche Gesang-Verein in ergreifender Weise den Choral: „Es ist vollbracht".
Einfach und schlicht in seinem Wesen, aber scharf in seinem Urtheil und bestimmt in seinen Entschlüssen, von geradem Charakter und unermüdlichem Fleiße, war der Verewigte das Prototyp eines „self made man" in des Wortes schöster und edelster Bedentung. Gegen Arme mildthätig, gegen seine Arbeiter wohlwollend, seiner Familie ein treuer Fürsorger, im Verkehr mit der Außenwelt liebenswürdig, vereinigte er in sich jene Eigenschaften, welche sein Andeken im Herzen aller derer, die ihn kannten, nie erlöschen lassen. Wir aber betrauern seinen Heimgang und reihen seinen Namen dem Verzeichniß jener Meister an, deren Schaffensdrang auf dem Gebiete des Instrumentenbaues Großes zu Wege gebraucht hat. Ehre seinem Andenken!
J.C.