T-RippenT – Rippen für Resonanzböden August 1894

Zeitschrift für Instrumentenbau 1893-1894 S.826ff

D. R. P. a.
Jedermann weiß, daß die Streich-Instrumente durch das Alter und längeres Spielen an Tonschönheit und Glanz gewinnen und so sehr im Werthe steigen, daß dieselben schließlich fast mit Gold aufgewogen werden. Die Klavierfabrikation stand bisher der unabänderlichen Thatsache machtlos gegenüber, daß die Klaviere im Laufe der Jahre an Fülle und Frische des Tones immer mehr einbüßten, und mochte man auch das schönste Instrument, wenn es erst 20 oder 30 Jahre im Gebrauch, neu besaiten und mit neuer Mechanik u. neuen Hammerköpfen versehen, es blieb eben immer nur ein verbrauchtes Instrument, dem die Jugendfrische fehlte. Die Ursache dieser verhältnißmäßig schnellen Abnutzung ist den Fachleuten durchaus kein Geheimniß und läßt sich auf folgende Weise erklären.
Während auf dem Resonanzboden der Geige nur 4 weiche Darmsaiten ruhen, die durch ihren minimalen „Druck" demselben nichts anzuhaben vermögen, lasten auf dem Resonanzboden des Klavieres 225 äußerst straff angespannte Stahlsaiten, deren stärkste erst bei einer Belastung von 500 Kg reißt.
Bei der Geige genügt die Einführung der sogenannten „Stimme" in den Geigenkörper, um dem Resonanzboden soviel Widerstandskraft gegen den Saitendruck zu geben, daß dieser sich nicht durchdrückt". Um dem Klavier-Boden diese Widerstandskraft zu geben, sind besonders in den letzten Jahren die verschiedensten Versuche, theilweise mit fast negativem Erfolge gemacht worden.


T-Rippen 2Man verstärkte und vermehrte die Zahl der Rippen auf der Rückseite des Resonanzbodens in einer Weise, daß dieselben dem ausgeübten Druck fast vollständig Stand zu halten vermochten. Nun hat sich aber dabei der Uebelstand herausgestellt, daß mit der erhöhten Zahl und Stärke der Rippen die Klangkraft und Schönheit des Tones immer mehr verloren ging. Der Resonansboden wurde zu steif. Die Klavierfabrikation hat sich daher seit längerer Zeit mit einer mittleren Zahl und Stärke von Rippen begnügt, welche die Resonanzkraft nicht allzusehr unterbinder und doch den Druck der Besaitung einigermaßen aushält. Solange der Resonanzboden seine erste Elastizität beibehält, büßt auch die Klang-Qualität nicht erheblich ein; sobald aber durch den jahrelang ausgeübten Druck seine Widerstandsfähigkeit gebrochen oder technisch gesagt, sobald er „seinen Druck verliert", ist es mit seiner Herrlichkeit zu Ende und keine Erneuerungskünste können dem Klavier-Veteranen seine Jugendkräfte wieder zuführen.
Diesem Uebelstand ist nun durch meine Neuerung in der einfachsten Weise und ohne nennenswerthe Erhöhung der Fabrikationskosten dadurch abgeholfen, daß ich den Rippen, statt der bisher üblichen rechtwinkligen Form, die Form eines großen lateinischen T gegeben habe. Es ist ein in der Baukunst längst erprobter Erfahrungssatz, daß sogenanntes T – Eisen eine weit erheblichere Stützkraft besitzt als ein massives rechtkantiges Eisen von mehrfacher Stärke und Schwere. Eine genau ausgeführte Berechnung hat die überraschende Thatsache ergeben, daß eine T – Rippe von gleichem Holzvolumen, wie eine rechtwinklige Rippe von z. B. 5 cm Breite und 2 cm Höhe genau 4,99 mal soviel trägt, wie diese, also rund dem Saitendrucke einen fünffachen Gegendruck entgegensetzt und daß eine Rippe in T – Form von nur ½ so starkem Holzvolumen immer noch soviel trägt, wie eine doppelt so normale - Rippe. (Vgl. Fig. 1 u. 2)T-Rippen 3


Die praktischen Versuche dieses Verfahrens haben die Richtigkeit dieser Theorie bestätigt, indem die mit halb so schwachen T – Rippen versehnen Instrumente ihren Druck, der beispielsweise in der Mittellage 4 mm beträgt, vollständig behalten, während doppelt so starke normale- Rippen das Durchdrücken des Resonanzbodens zu verhüten nicht im Stande sind.
Thatsächlich geht durch das geringere Holzvolumen der Rippe Hand in Hand hiermit eine Vergrößerung und Veredlung des Tones, besonders in der Mittellage und den Bässen, wie sie bisher an keinem Instrumente der gleichen Gattung erzielt wurde.
Ueber eine weitere Neuerung an Resonanzböden, nämlich denselben die Form von Wellblech (Fig. 3) zu geben, die gleichzeitig mit den T – Rippen als integrirender Theil der Erfindung zum Patente angemeldet ist, worüber die Vesuche aber noch nicht ganz abgeschlossen sind, hoffe ich nächstens in der Lage zu sein, Näheres mitzutheilen.
Coblenz, im August 1894.
Carl Mand.

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